Barfuß-Experte Emanuel Bohlander im Interview

Barfuß-Experte Emanuel Bohlander im Interview

Was sich hinter dem Thema Barfußlaufen und Füße verbirgt und was es darüber Wissenswertes zu erfahren gibt, verrät dir unser Referent und Barfuß-Experte Emanuel Bohlander im Interview.

Lieber Emanuel. Du hast dich zum überzeugten Barfußläufer entwickelt und dein „normales“ Schuhwerk radikal entsorgt.
Beschreib uns doch kurz, wie es dazu gekommen ist, worauf du dich spezialisiert hast und warum!

Emanuel: Der menschliche Fuß ist nicht für Schuhe, wie wir sie in unserer Kultur kennen, gemacht. Vor einigen Jahren bin ich über das Barfußlaufen als mögliche Lösung für meine damaligen Gelenkprobleme und Schmerzen beim Joggen gestolpert. Die Idee, dass der Mensch mehrere hunderttausend Jahre auch ohne Schuhe zurecht kam und dabei immer schon viel gelaufen ist ohne sich zu verletzen, war für mich wahnsinnig logisch und einleuchtend. Ich habe über einige Jahre an meiner Lauftechnik und meinen Füßen gearbeitet. Heute bin ich Inhaber der Barefoot-Academy in Düsseldorf und coache Läufer, biete zusammen mit Kollegen Workshops und Ausbildungsseminare an.

Wie bist du zum Barfußlaufen gekommen?

Emanuel: Ich war früher eine Couch-Potato vor dem Herrn. Als ich kurz davor war, die Hundert-Kilo-Marke zu knacken, hat es Klick gemacht. Von einem Tag auf den anderen bin ich täglich gejoggt, habe am Ende rund 25 Kilogramm abgenommen. Doch ich hatte immer Schmerzen beim Laufen: im Knie, in der Hüfte und in den Zehen, die immer blau waren. Ich habe die besten Schuhe gekauft, jegliche Einlagen ausprobiert – nichts hat geholfen. Als ich an dem Punkt war, wo gar nichts mehr ging, bin ich auf das Buch „Born to Run“ gestoßen – und das hat alles verändert.

Emanuel, wozu braucht man einen Barfuß-Coach? Kann man nicht einfach die Schuhe ausziehen und los geht’s?

Emanuel: Seit einigen Jahren wird das Barfuß-Thema, vor allem in der Läuferszene, populärer. Die Folge ist, dass die Menschen einfach ohne Schuhe loslaufen und sich verletzen, weil sie ihre untrainierten Füße überbelasten. Besonders auf dem harten Asphalt.

Schuhe führen zu Fehlhaltungen der Füße?

Emanuel: Ja, und da hört es nicht auf. Die Füße sind unser Fundament. Dort entsteht die muskuläre Verteilung im Körper. Ein schiefer großer Zeh kann zu einem schiefen Knie führen – zu einem schiefen Becken und sich schließlich negativ auf die Wirbelsäule auswirken.

Laufschuhe sind nicht gut für den Fuß?

Emanuel: Wenn etwas kaputt ist, kann man es nicht immer mit hochtechnischen Schuhen ausgleichen. Und mit Einlagen versucht man das Fußgelenk wieder gerade zu richten. Unser Fuß kann das eigentlich selbst. Statt dem Fuß noch mehr Funktion zu rauben, sollten wir sie ihm zurückgeben.
Ich bin früher gefühlt jeden Monat bei Orthopäden gewesen und habe neue Einlagen bekommen. Es wurde trotzdem immer schlimmer. Erst zwickte die Achillessehne, dann das Knie, die Hüfte und am Schluss konnte ich kaum zwei Kilometer laufen: Mein Nacken war so verspannt, dass ich den Kopf nicht mehr drehen konnte.

Hast du Tipps, wie jeder selbst seine Füße ein wenig trainieren kann?

Emanuel: Zuhause barfuß zu laufen, ist ein Muss. Einfach barfuß losjoggen sollte man auf keinen Fall, ohne professionelle Anleitung. Eine Übung, die man jederzeit machen kann, ist, im Stehen den großen Zeh anzuheben und die kleinen Zehen in den Boden zu drücken und andersherum – es ist verrückt, aber viele können das gar nicht mehr. Sie kennen ihre Füße nicht, weil sie sie nie sehen.

Emanuel, warum barfuß?

Emanuel: Barfußgehen ist für mich die logische Konsequenz. Wir sind evolutionär nicht mit Schuhen ausgestattet worden und Jahrtausende lang barfuß gegangen. Warum sollten wir also nicht auch heute auf unsere Füße vertrauen?

Gehst du immer und überall barfuß?

Emanuel: Ich bin da nicht dogmatisch. Ich halte es zwar für das Sinnvollste, draußen habe ich aber meist spezielle Sandalen mit einer sehr dünnen Sohle an. Das ist quasi wie Barfußlaufen, macht es aber gesellschaftlich einfacher. Die Leute gucken selbst im Sommer komisch, wenn man ohne Schuhe unterwegs ist. Besonders, wenn man zum Beispiel barfuß einen Supermarkt betritt. Außerdem ist der Boden, auf dem wir in Städten gehen, bretthart, da braucht es ein wenig Schutz. Und ich kann so auch mal auf eine öffentliche Toilette gehen. Es geht mir ja nicht darum, zu provozieren, sondern ich will, dass meine Füße in Form und Funktion nicht verändert werden. Beim Sport wähle ich aber oft gezielt Strecken im Grünen, wo ich ganz ohne Schuhe joggen kann.

Ist es nicht gefährlich, ohne Schuhe zu laufen? Hast du dich noch nie verletzt?

Emanuel: Nein. Man bekommt einen sehr guten Blick für den Boden, selbst im Rennen. Natürlich mache ich um Glascontainer bewusst einen großen Bogen. Aber ich bin auch noch nie in einen Kaugummi, einen Hundehaufen oder eine Biene getreten.

Viele mögen die Vorstellung nicht, dass die Füße kalt oder schmutzig werden. Sind Socken eine Alternative?

Emanuel: Auch auf Socken sollte man zuhause verzichten, das Elasthan reicht schon, um den Fuß einzuengen und zu verformen. Mal ehrlich, zu kalt ist es drinnen nie, man muss die Füße eben an das Nacktsein gewöhnen. Zum Beispiel, indem man einfach mal kurze Wege barfuß geht, etwa zum Bäcker.

Nun bekommen sicher viele Leser ein schlechtes Gewissen und sind unsicher wegen ihrer Schuhe. Welche „Fußbekleidung“ kannst du denn überhaupt noch empfehlen?

Emanuel: Eigentlich nur wenige Schuhe. Ein Fußbett ist meiner Meinung nach ein No-Go. Doch auch die vielen Barfußschuhe, die es mittlerweile gibt, sind nicht automatisch gut. Die meisten haben zwar eine dünne Sohle, was gut ist, aber im Zehenbereich sind fast alle zu eng.

Wenn du immer barfuß gehst, hast du sicher ordentlich Hornhaut und deine Fußsohlen sind sicher ungepflegt und rabenschwarz?

Emanuel: Im Gegenteil: ich finde, dass meine Füße gepflegter aussehen als die mancher Schuhträger. Das müssen sie auch. Immerhin stehe ich mit ihnen durch meinen Job täglich in der Öffentlichkeit. Sie sind zwar sehr breit und entsprechen daher nicht unbedingt dem Schönheitsideal, aber sie sind immer sauber. Und das ist auch kein Hexenwerk. Wenn ich nach Hause komme, wasche ich sie mit Seife oder Duschgel, so wie sich andere die Hände waschen, wenn sie draußen waren. Auf Dauer bleiben manchmal schwarze Ränder zurück, die mache ich dann mit einem Bimsstein weg.
Bei höheren Strapazen hält Hirschtalg die Haut geschmeidig und belastbar. Übrigens bekommt man entgegen der Erwartungen vom Barfußgehen nicht automatisch Hornhaut. Nur ein bisschen mehr Fettpolster unter Zehen, Ballen und Ferse, wie Hunde oder Katzen unter ihren Pfoten. Hornhaut entsteht in Schuhen, die drücken oder durch eine Fehlbelastung beim Barfußgehen. Das beste Rezept gegen Hornhaut ist es also, mit gezielt darauf trainierten Füßen barfuß zu gehen.

Vielen Dank für das spannende Interview!

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