04 – Lehren und Lernen in der Weiterbildung

04 – Lehren und Lernen in der Weiterbildung

THEORIE

Unser Gehirn kann nicht nicht lernen.”

Das ist die Aussage des bekannten Hirnforschers Manfred Spitzer und er hat damit deutlich hervorgehoben, dass wir ein ganzes Leben lang lernen, ob bewusst oder unbewusst. Dabei lernen wir auf ganz unterschiedlichen Zugangswegen:

  • kognitiv, wenn wir uns Wissen aneignen, Zusammenhänge erkennen, etwas beurteilen oder analysieren lernen;
  • kommunikativ, wenn wir mit anderen diskutieren, zuhören, argumentieren;
  • affektiv, wenn wir uns interessieren und motivieren
  • psychomotorisch, wenn wir Fertigkeiten erlernen, oder Bewegungen koordinieren lernen und unsere Geschicklichkeit verbessern;
  • methodisch, wenn wir Informationen ordnen und verarbeiten.

Lernen kann in ganz unterschiedlichen Situationen stattfinden, organisiert in Institutionen, nach bestimmten Lehrplänen oder interessenorientiert, aus Büchern und neuen Medien oder einfach „en passant“ auf Reisen oder im Gespräch mit anderen Menschen.

Wie lernen Erwachsene?

Während Kinder voller Neugier alles aufnehmen, was ihnen geboten wird, lernen Erwachsene eher zielgerichtet, das was ihnen gerade nutzt. Sie kommen mit ihren eigenen Erfahrungen, Einstellungen und Emotionen in einen Kurs oder Seminar, einem  „biologischen Rucksack“. Sie lernen, was ihnen hilfreich erscheint und was in ihr Konstrukt von der Welt passt. Erwachsene lernen „selbstgesteuert“, d.h. Wissensinhalte werden nicht unreflektiert aufgenommen, doch kann die Glaubwürdigkeit und Begeisterungsfähigkeit des Lehrenden den Lernerfolg maßgeblich beeinflussen. Heute bestätigt die moderne Psychologie und Hirnforschung, dass Emotionen den Lernprozess wesentlich beeinflussen. Sie beflügeln und mobilisieren uns, sie fokussieren unsere Aufmerksamkeit und lassen uns Gelerntes besser behalten.

Zusammenfassend kann man sagen:


Lernen in der Erwachsenenbildung wird als ein individueller, selbst gesteuerter Prozess gesehen, der systematische Unterstützung, Anleitung, Anregung, Begleitung, Reflexion, Beurteilung und vor allem anspruchsvolle, problemorientierte Lernarrangements benötigt.

Wie man Lernarrangements gestaltet und Lernende anleitet und unterstützt, damit beschäftigt sich die Pädagogik in Gestalt der Didaktik und Methodik.

Didaktik und Methodik

Didaktik bezeichnet das „Was“ gelernt wird, also die Ziele, Themen und Inhalte. DieMethodik antwortet auf dieFrage „Wie vermittle ich etwas?“, damit die Kursteilnehmenden mit den ausgewählten Inhalten auch ihre Ziele erreichen. Methoden sind im engeren Sinn „Handwerkszeug“, im weiteren Sinne die operationale Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse. Dazu gehören auch organisatorische Aspekte und die Auswahl der Medien. Methoden kann man lernen und sollte man auch. Insbesondere als Kursleiter*in in der Erwachsenenbildung ist es wichtig über eine Art „Methodenkoffer“ zu verfügen, aus dem man sich bedienen kann. Die jeweiligen Instrumente im Koffer sollten zum Thema, aber auch zur Kursleitung passen, um die Authentizität zu wahren. Immer wenn es um die Wechselwirkung verschiedener Faktoren geht, spricht man in der Pädagogik gerne von „Passung“, was so viel heißt wie zusammenpassen oder koordinieren der lernrelevanten Faktoren.

Im Folgenden haben wir einige wesentliche methodisch-didaktische Prinzipien für die Kursplanung im sportpraktischen Bereich (Sport lernen, Gesundheitsbildung) zusammengestellt.

Der Begriff Differenzierung bezeichnet die Bemühungen, durch organisatorische oder methodische Maßnahmen den individuellen Begabungen, Fähigkeiten und Neigungen der Kursteilnehmenden gerecht zu werden und selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen. Jeder Teilnehmende sollte möglichst effektiv üben können, um seine Ziele im gegebenen Zeitrahmen zu erreichen.

Bei der Auswahl und Veränderung einzelner Übungen sind folgende Prinzipien zu beachten:

  • vom Leichten zum Schweren
  • vom Einfachen zum Komplexen
  • vom Bekannten zum Unbekannten
  • von stabilen zu instabilen Unterstützungsflächen
  • von großen zu kleinen Unterstützungsflächen
  • von langsamen zu schnellen Bewegungen

Weitere Maßnahmen zur Effektivitäts- und Intensitätssteigerung sind u.a.:

  • Verwendung von Stationsbetrieb (Zirkeltraining)
  • Genaue Überlegung des Geräteeinsatzes, Zusatzgewichte, instabile Unterlagen als zusätzliche Herausforderung für Fortgeschrittene
  • Üben nach offener Wiederholungszahl im Rahmen einer festen Zeiteinheit
  • Progressiv aufgebaute Übungsfolge (Variante 1, 2, 3 oder 4), alle beginnen mit der Grundübung und jeder steigert sich nach seinen Möglichkeiten
  • Planung von Zusatzaufgaben für Fittere

Anschaulichkeit ist eine wichtige Voraussetzung für den Lernprozess. Eine typische Methode im Fitness- und Gesundheitssport ist das „Vormachen - Nachmachen“. Dabei sollte die Zielbewegung möglichst optimal demonstriert werden.

Hintergrund: Sogenannte Spiegelneurone (= Nervenzellen im Gehirn) sorgen vermutlich dafür, dass das Gehirn allein über das Zuschauen die Muskeln effektiv anzusteuern lernt (Gallese et al. 2004, 1996).

Am besten verbindet der Teilnehmende die Bewegungsvorstellung auch mit einem Bewegungsgefühl, das er dann bei der eigenen Ausführung als Prüfkriterium einsetzen kann. Die Bewegungsanweisungen sollten kurz, verständlich und in einfachen Sätzen gehalten sein. Eine bildhafte Sprache kann sich dabei günstig auswirken, weil die Vorstellung die Bewegung positiv beeinflusst. Zum Beispiel: „Heb dein Brustbein ein wenig an, als würdest Du eine Medaille präsentieren“, oder  „Stell dir vor, du balancierst eine Schale auf deinem Kopf“, um die Haltung zu optimieren.

Helfende Anweisungen und Bewegungskorrekturen, Veranschaulichung durch Bilder begleiten das Üben. Rückmeldungen wie Lob und Bestätigung fördern das Bewegungslernen. So kann der Teilnehmende auch Eigenverantwortung für die Qualität  seines Lernprozesses entwickeln.

Lernen ist immer begleitet von vielfältigen Sinneswahrnehmungen, besonders im Sport. Neben der optischen und akustischen Wahrnehmung spielt die Körperwahrnehmung eine wichtige Rolle, denn sie verbessert die Innensicht der Teilnehmenden. Gelingt es uns, den Teilnehmenden positive Veränderungen, Empfindungen und Fortschritte bewusst zu machen, unterstützt dies den Lernprozess. Darüber hinaus fördert es die Zufriedenheit und damit die regelmäßige Kursteilnahme sowie die Wahrscheinlichkeit, dass das Erlernte z.B. in Form einer Verhaltensänderung auch im Alltag umgesetzt wird.

Die Aufgabe der Kursleitung ist Zusammenhänge aufzuzeigen, Ziele und Wirkung von Übungen zu benennen und die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden so zu lenken, dass das gewünschte Bewusstsein entwickelt werden kann.

Ein wichtiges Ziel in der Gesundheitsbildung ist die Selbstwirksamkeit, also das Bewusstsein selbst etwas für die Gesundheit tun zu können. Dies setzt eine Selbstständigkeit voraus, die wiederum dadurch gefördert werden kann, dass der Kursleitende Erlebnisse vermittelt, die eine selbstständige Auseinandersetzung mit offenen zielorientierten Aufgaben zulässt.

Das induktive (erarbeitende) Verfahren ermöglicht den Teilnehmer*innen eigene Lösungen zur Realisierung des Zieles zu suchen und zu erproben. Dieser offene Lehr- und Lernweg fordert die kreative Aktivität der Teilnehmenden. Sie lernen wahrzunehmen, was ihnen gut tut und wo die Grenzen ihrer Belastung liegen. Ziel des Lernprozesses ist das Finden individueller Lösungsmöglichkeiten und das Umsetzen im Alltag. So werden sie selbst zum Experten für ihre Fitness und Gesundheit.

Die Aufgabe der Kursleitung liegt darin, motivierende Lernsituationen zu arrangieren und die Teilnehmenden immer wieder aufzufordern, optimale Lösungen für sich zu finden. Hier einige Beispiele:

  • Belastung eigenverantwortlich dosieren
  • Übungstempo/-rhythmus auswählen, pausieren, wenn nötig
  • Übungen weglassen oder gegen andere austauschen
  • Persönliches Trainingsprogramm zusammenstellen
  • Heimprogramme konsequent anwenden
  • Erlernte Inhalte schrittweise in den Alltag integrieren
  • Beteiligung an der Übungsstunde (Lieblingsübungen zeigen, besondere Wünsche äußern, Teilnehmer präsentieren für Teilnehmer)

Anregende Aufgaben, Partnerübungen, interessantes Gelände oder spannende Geräte, die die Neugier und Experimentierlust wecken, tragen zur Vielseitigkeit im Kurs bei. Dadurch werden vor allem antriebsschwache Teilnehmer*innen unterstützt, regelmäßig teilzunehmen.

Die Teilnehmenden fühlen sich aber auch bei gleichbleibenden Inhalten wohl, weil sie dabei zu Erfolgserlebnissen gelangen, genau wissen, was auf sie zukommt, die Bewegungsabläufe wie Rituale immer wieder neu erleben und dennoch Sicherheit empfinden.

Da es immer mehrere Wege gibt, die einen Menschen zur Regelmäßigkeit in seinen Aktivitäten für mehr Fitness und Gesundheit führt, sollten die Kursteilnehmenden eine gewisse Bandbreite an Strategien ausprobieren können.

Zu einer sorgfältigen Durchführung der Gesundheitskurse gehören die Abgleichung der Ziele, der durchgeführten Maßnahmen (Stunden, Trainingsprogramme) sowie entsprechende Kontrollen (Gespräche, motorische Tests, Fragebögen und Selbstbeobachtungsbögen). Dazu sollte der Kursleitende seine Kursstunden schriftlich ausarbeiten und anschließend mit kurzen Notizen zur Praxiserfahrung ergänzen. So sind Rückblicke möglich, keine Idee geht verloren und gute sowie günstige Organisationsformen bleiben erhalten.

Durch die große Bandbreite an Zielen ist es nicht möglich in jeder Stunde alle Ziele anzusteuern. Die Kursleitung sollte daher bei der Stundenvorbereitung Akzente setzen und sich auf Schwerpunktthemen festlegen.

Konzepte der Gesundheitspsychologie legen nahe, dass Teilnehmer*innen nur dann ein bestimmtes Verhalten lernen, wenn es für sie bedeutsam ist. Das Erarbeiten individueller Lösungen (spezielle Übungen, Defizite herausarbeiten, besondere Vorlieben) hat dabei im Gegensatz zum reinen Konsumieren eine ganz besondere Erlebnisqualität und Behaltensqualität. Durch die Beteiligung der Teilnehmenden werden Kreativität und Phantasie angeregt sowie die Kommunikation beim gemeinsamen Bewältigen von Aufgaben gefördert.

Erfahrungen zeigen, dass es Teilnehmenden weniger an der Motivation fehlt, mit Bewegung zu beginnen, als vielmehr das begonnene Aktivitätsniveau beizubehalten. Zu hohe Anforderungen, gerade am Anfang minimieren bei den Teilnehmenden die Aussicht, eine Selbstwirksamkeit zu entwickeln und die Selbstregulation zu erhöhen.

Kursprogramme sollten daher so geplant werden, dass die Teilnehmer*innen möglichst erfolgreich sind und diesen Erfolg auf ihre Fähigkeiten zurückführen. Günstig ist daher ein mittleres Intensitätsniveau.

Resümee

Lernen ist ein lebenslanger Prozess, der sich durch eine beeindruckende Vielfalt an Methoden und Zugangswegen auszeichnet. Erwachsene bringen ihre eigenen Erfahrungen, Einstellungen und Emotionen in den Lernprozess ein und lernen zielgerichtet und selbstgesteuert. Das Lernen Erwachsener erfordert eine systematische Unterstützung durch anspruchsvolle, problemorientierte Lernarrangements, die individuell angepasst werden müssen.

Die Didaktik klärt, was gelernt wird, während die Methodik darauf antwortet, wie es vermittelt wird. Effektive Lehr- und Lernprozesse benötigen auch eine gut durchdachte Organisation und den Einsatz geeigneter Medien. Verschiedene methodische Prinzipien, wie die Differenzierung und Anschaulichkeit, sind entscheidend, um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden gerecht zu werden und ihre Selbstwirksamkeit zu fördern.

Wesentlich ist auch die Bewusstheit über den Lernprozess, die durch eine klare und bildhafte Sprache sowie direktes Feedback unterstützt wird. Vielseitigkeit und Planmäßigkeit in der Kursgestaltung helfen dabei, die Motivation aufrechtzuerhalten und den Lernprozess effektiv zu steuern.

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